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Schwanger und allein – Echt jetzt?

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von Olivia

„Was? Du Arme! Das hätte ich niemals durchgestanden!“ „Warum hast du’s behalten?“ „Alleine schwanger? Heftig! Was kam danach?“ „Wie überwindet man sowas?“ „Ohne Partner schwanger zu sein ist wie schwimmen ohne Wasser. Macht das überhaupt Sinn?“

Mit solchen Reaktionen auf meine damalige Lage, schwanger zu sein und keinen Partner mehr zu haben, wurde ich mindestens zweimal im Monat konfrontiert und noch heute ruft meine Story offene Münder bei meinen Zuhörer_innen hervor. Die meisten bewundern die Tatsache, dass ich mich trotzdem für das Kind entschieden und das Ganze durchgezogen habe. Dabei schwingt jedoch immer ein bisschen Mitleid mit. Doch das habe ich innerhalb meiner Schwangerschaft am allerwenigsten gebraucht und das brauche ich auch heute nicht. Vielmehr bin ich der Meinung, dass Mitleid der falsche Zugang ist. Kein Mensch der Welt will dafür bemitleidet werden, ein Kind alleine großzuziehen oder den gesellschaftlich festgefahrenen Konstrukten nicht zu entsprechen.

Es ist OK, alleine schwanger zu sein und es ist OK, ein Kind alleine großzuziehen. Niemand wünscht sich dieses vermeintliche Horrorszenario, aber wenn man als Nichtschwimmerin ins kalte Wasser geschmissen wird, versucht man, das Beste daraus zu machen, um nicht unterzugehen. Vielmehr versucht man sich über Wasser zu halten und sich mit den Mitteln, die man hat, sicher an Land zu bringen, damit das kleine genetische Wunder in Ruhe gedeihen kann. Ich hatte diese Mittel und habe gekämpft. Um mein Glück und das meines Kindes. Es sollte so wenige Nachteile wie möglich haben, dass es ohne das idealisierte Vater-Mutter-Kind-Konstrukt aufwächst. Ich wollte mich selbst von dem Gedanken befreien, der wie eine schwarze Wolke schon immer über mir schwebte. Unaufhaltsam wollte diese schwarze Wolke mir beweisen, dass die gutbürgerliche Familie das einzig Wahre und das einzig Mögliche ist. Alles andere wäre nicht akzeptabel.

Und dann passierte es mir und ich akzeptierte.

Mit 24 wurde ich von meinem Partner ungeplant schwanger. Was ich damals eigentlich geplant hatte, war die Trennung von ihm. Nun, das war dann für mich keine Option mehr. Ich wollte das Kind kriegen und ich wollte die Familie haben, die ich selbst nie hatte. Und da war sie wieder, meine erbarmungslose schwarze Wolke, die mir einhämmerte, alles zu tun, damit diese Familie – meine Familie – funktioniert.

Sieben Wochen später war die schwarze Wolke größer als je zuvor

Keine sieben Woche später war der Traum zerplatzt und die schwarze Wolke noch größer als jemals zuvor. Mein Partner hatte sich kurzerhand von mir getrennt. Ich war gerade in der 12. Schwangerschaftswoche und seine letzten Worte, die er mir kühl hinwarf, waren: „Noch ist es nicht zu spät. Du kannst ES noch abtreiben.“ Das waren mit Abstand die härtesten Worte, die in diesem Zusammenhang – und auch außerhalb – je gefallen sind. Das ist also der Vater meines Kindes, dachte ich mir und mein Herz brach entzwei.

Die nächsten Worte, die er zu mir sagte, waren nicht viel angenehmer. Er ging wieder zurück zu seiner Ex. Die hatte auch ein Baby, nicht von ihm, aber ein Baby, für das er sich „wenigstens selbst entscheiden“ konnte. Zugegebenermaßen fühlte ich in diesem Moment nur noch eine tiefe, knallharte Leere, die mir den Boden unter den Füßen wegzog.

Ich brauchte zirka ein Monat, um zu begreifen, dass der Kerl, der Vater meines Kindes, nicht mehr zu „uns“ zurückkommt – und ein Jahr, um zu wissen, dass dies auch gut so war.

Ich stand nun da, 24 Jahre alt, schwanger, allein und hatte keinen Plan, wie es weitergeht. Aber es musste weitergehen und so fing ich an, mich von meinen Träumen und Wunschvorstellungen, die ich bisher vom Kinderkriegen hatte, zu verabschieden. Auch von der Vorstellung, dass der Vater meines Kindes mich mit meinem dicken Bauch und meinen kleinen Handicaps unterstützt – Hand auf den Bauch legen, den Herztönen des kleinen Wunders lauschen, Pre-Baby-Einkäufe tätigen, die geschwollenen Füße massieren, den Bauch lieb haben.

Ich musste mich ablenken, Kräfte sammeln, meinen Schmerz besiegen. Es musste doch noch andere Mütter geben, denen dasselbe passiert ist? Ich suchte vergeblich nach ihnen. Stattdessen fand ich mich in einem Geburtsvorbereitungskurs wieder. Ganz schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass dieser Kurs ausschließlich aus – wie mir damals vorkam – glücklichen Paaren, die ihr Wunschkind erwarten, bestanden hatte.

Regel Nummer 1: Geh dort, um Himmels Willen nicht hin, wenn du nicht vor hast, dich selbst zu geißeln!

Ich dachte, dass mir dieser Kurs die nötige Ablenkung gewährleisten würde. Aber das war eine Illusion. Wir mussten dort irgendwelche idiotischen Partner_innenübungen machen. Somit nahm ich abwechselnd Freundinnen mit, die mich dabei unterstützten. Hin und wieder war auch mein Ex mit dabei. Er war allerdings äußerst unzuverlässig (wen wundert’s jetzt?), was die Sache nicht leichter gemacht hat.

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Regel Nummer 2: Kaufe keine Schwangerschaftsbücher, wenn du es nicht aushältst, dass ausschließlich von Paaren die Rede ist!

Schwangerschaftsliteratur bearbeitet und beschreibt das gesellschaftlich gängigste Konstrukt: Die Familie in der Vater-Mutter-Kind-Konstellation. Nicht cool, das zu lesen, wenn man sich selbst gerade in der abgespeckten Mutter-Kind-Variante befindet, die in keinem Buch thematisiert wird. Ich hätte damals tatsächlich ein Büchlein gebraucht, das Mut macht auf die Entscheidung, alleine ein Kind zu bekommen. Ein Buch, das zeigt, dass man es – verdammt noch mal – auch alleine schaffen kann. Diese Zuversicht hat mich einfach hin und wieder verlassen.

Dennoch habe ich mich im Familien-Geschwafel der Bücher gesuhlt, mit dem Output, dass ein Teil meiner Schwangerschaft aus einer Scheinwelt bestand, in die ich mich ab und an hineinträumte.

Regel Nummer 3: Schau dir keine Hollywood-Filme an, die das Thema „allein schwanger sein“ verarbeiten, wenn dich das Happy-End direkt ins Gesicht schlägt.

Tja, die knallharte Seite von Hollywood, so, wie du sie dir nur dann wünscht, wenn du es auch erlebst: das Happy-End. Es zu sehen, macht dich irgendwie glücklich und irgendwie auch nicht. Es kann dich in eine weitere Hoffnungs-Achterbahn befördern oder dich in die Abgründe deiner Psyche katapultieren, wo das Wort Hoffnung nicht mehr existiert.

Auch diese Regel habe ich leider nicht befolgt. Ich musste es mir einfach geben. Diese Filme, in denen eine Beziehung in die Brüche geht. Sie schwanger, er verzweifelt. Doch am Ende wurde immer alles gut. Wie aus einem Rausch erwachte ich auch aus dieser Scheinwelt und dann war da diese wahnsinnig große Sehnsucht direkt vor mir, dicht gefolgt von einer schreienden Verzweiflung.

Damit so etwas gar nicht erst aufkommt, fang lieber an, dich mit der Realität zu befassen, dich zu fragen, wie jetzt nun deine nächsten Schritte sind, anstatt der Vergangenheit hinterherzuhinken. In solch einer Situation braucht man einen Plan, man braucht etliche Sicherheiten, die man sich Stück für Stück aufbaut, um nicht zu fallen.

Regel Nummer 4: Ergib dich deinem Schicksal, denn alles andere macht keinen Sinn!

Sich damit abzufinden, alleinerziehend zu sein, ist die beste Variante, um vorwärts zu kommen. Zumindest war es das für mich. Auch, wenn es ein steiniger Weg bis zur gänzlichen Akzeptanz der Situation war, es hat sich gelohnt.

Ich war jung und hatte nicht die leiseste Ahnung, was mich erwarten würde, als ich die Entscheidung meines Lebens getroffen habe. Ich bereue meine Entscheidung keine Sekunde und ohne mich großartig lobpreisen zu wollen, kann ich verdammt stolz darauf sein, dass ich das für mich schlimmste aller Dinge geschafft habe. Meine Tochter ist mittlerweile sechs Jahre alt. Das Verhältnis zum Vater ist den Umständen entsprechend gut – auch meines zu ihm.

Ich hatte und habe zum Glück die Unterstützung meiner Familie und Freund_innen. Das ist im Endeffekt das einzige, was zählt. Keine Ahnung, wie ich das Ganze ohne sie überstanden hätte. Denn sie sind das Wichtigste im Leben.

Zur Autorin: Olivia Lefford, 1985 geboren, Texterin, 1 Tochter (2009). Lebt in Wien, alleinerziehend.


Beitragsfoto: Martin Kucera

Beitrag erschienen in: selbst.bestimmen



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